Neymar Jr. als Brasiliens WM 2022 Star im Porträt

Es gehört zum Selbstverständnis Brasiliens, die beste Mannschaft der Welt zu sein und den stärksten Spieler des Planeten in den eigenen Reihen zu haben. Seit mehr als zehn Jahren wird diese Rolle in der Selecao Neymar zugedacht, der auch ihr WM 2022 Star ist. Doch der Superstar von Paris Saint-Germain hatte in der Vergangenheit sichtlich mit der unmenschlichen Erwartungshaltung zu kämpfen, die mit diesem Bild von ihm verknüpft ist.

Er konnte bei vielen großen Turnieren einfach nicht derart auftrumpfen, wie es sich die Brasilianer von ihm erhofften. Die WM 2022 in Katar ist vielleicht seine letzte Chance, sich doch noch zu behaupten und seinem Land die Erlösung zu bringen.

Brasiliens Neymar im WM-Star-Check 2022

Die wichtigsten Infos🇧🇷 Neymar Jr.
VereinParis Saint-Germain 🇫🇷
PositionStürmer, offensives Mittelfeld
Geburtsdatum05.02.1992
Größe1,75 m
Einsätze/Tore Nationalmannschaft121/75 (Stand: 15.11.2022)
Marktwert75 Mio. € (Stand: 15.11.2022)
Größter Erfolg mit NationalteamOlympiasieger 2016

Neymar: der beste Spieler der Welt?

Zur ganzen Wahrheit gehört, dass Neymar nicht nur glühende Anhänger im Fußball hat. Schwalben, übertriebene Emotionen und Tätlichkeiten kosteten ihn vielerorts Sympathien. Der bei der WM 30-Jährige ist ein Spieler, der polarisiert.

Entweder man liebt oder man hasst ihn. Unbestritten ist aber, dass er ein brillanter Spieler ist – vielleicht sogar tatsächlich der beste der Welt. Dieser Text soll sich deshalb vor allem auf seine Fähigkeiten auf den Platz konzentrieren und die Kontroversen weitgehend ausblenden.

Fakt ist jedoch, dass er definitiv zu den Top-Fußballern der aktuellen Zeit zu zählen ist. Nicht umsonst haben die Streamingplattformen DAZN und Netflix dem Star der brasilianischen Nationalmannschaft eine eigene Doku-Serie gewidmet. „Neymar Jr. and the Line of Kings“ erschien am 10. Oktober 2021 auf DAZN, „Neymar – Das vollkommene Chaos“ ist seit 25. Januar 2022 auf Netflix zu sehen.

Neymar: The Perfect Chaos | Official Trailer | Netflix

Die Vereinskarriere mit ersten Schritte in der Heimat

Neymar trat im Alter von sieben Jahren der Jugendabteilung von Portuguesa Santista bei, für die er vier Jahre spielen sollte. Der aus ärmlichen Verhältnissen stammende Angreifer stellte sich dabei derart gut an, dass er den Scouts des FC Santos auffiel. Diese wurden im Jahr 2003 aktiv und holten den Elfjährigen ins eigene Internat.

Drei Jahre später wäre er fast bei Real Madrid gelandet. Neymar absolvierte bei den Königlichen ein Trainingscamp, die ihn sofort verpflichten wollten. Santos zahlte umgerechnet 370.000 Euro an die Eltern des 14-Jährigen, um ihn von diesem Vorhaben abzubringen. Der Offensivmann blieb bis 2008 in der Jugendabteilung, dann wurde er zu den Profis befördert.

Der Durchbruch in Brasilien

Seinen Durchbruch im ersten Team des FC Santos feierte Neymar im Jahr 2009 – er war damals erst 17 Jahre alt. Er kam in der Staatsmeisterschaft von Sao Paulo immer wieder zum Einsatz und spielte ebenfalls regelmäßig im Pokal. Schnell klopfte man sich im Klub auf die Schulter: Man habe den Nachfolger Robinhos in den eigenen Reihen gefunden.

Und diese fraglos große Erwartungshaltung erfüllte der Teenager auf brillante Art: In seinen vier Jahren im Profiteam von Santos stand Neymar 177-mal auf den Platz und schoss 107 Tore. 2011 und 2012 war er Südamerikas Fußballer des Jahres. Längst hatte er auch sein Debüt in der Nationalmannschaft gefeiert. Alle großen Klubs Europas klopften an, doch Neymar schien sich bei Santos wohlzufühlen. Er verlängerte bis 2014.

Barca und dann PSG – Neymars Wechseltheater

2013 wechselte Neymar aber doch nach Europa. Er schloss sich dem FC Barcelona an und kostete offiziell 57 Millionen Euro. Später kam heraus, dass es eigentlich 88,2 Millionen Euro waren. Bei den Katalanen war der Brasilianer ausgesprochen erfolgreich. Er gewann 2015 die Champions League und schoss gegen Juventus Turin im Finale in der Verlängerung das entscheidende 3:1. Er war damit erst der achte Spieler, der sowohl in Südamerika wie auch in Europa die Königsklasse gewinnen konnte. Insgesamt erzielte er für Barca in 123 Partien 68 Treffer.

Doch der Schatten Argentiniens WM 2022 Star Lionel Messis war für Neymar zu groß. Er fühlte sich vom Argentinier erdrückt und meinte, deshalb nicht die ihm eigentlich zustehende Anerkennung zu erhalten. 2017 setzte er darum seinen Wechsel zu Paris Saint-Germain mit Gewalt durch. Die Franzosen zogen die Ausstiegsklausel in Höhe von 222 Millionen Euro. Noch immer ist er damit der teuerste Spieler aller Zeiten. Gefühlt vergingen jedoch nur Tage, bis Neymar diesen Transfer bedauerte.

In jeder Transferperiode bettelte er den FC Barcelona an, die Katalanen sollten ihn zurückkaufen. Teilweise streikte er sogar. Es funktionierte nicht, da Barca finanziell einfach nicht in der Lage war, einen solchen Deal zu stemmen.

Die Situation beruhigte sich erst im Jahr 2020: PSG erreichte damals das Finale der Champions League. Bei Barca war abzusehen, dass der Verein vor komplizierten Jahren stehen würde. 2021 schloss sich dann selbst Messi den Franzosen an.

Neymar Jr. in der Nationalmannschaft

Neymar gab 2010 sein Debüt in der Nationalmannschaft und schoss in 116 Spielen 70 Tore. Hinzu kommen sieben Treffer in zwölf Spielen in der Olympiaauswahl des Landes, deren Teil er von 2012 bis 2016 war. Es sprang nur ein Titel heraus: Brasilien gewann bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio vor eigenem Publikum die Goldmedaille.

Ansonsten verliefen die Turniere vor allem enttäuschend: Im Viertelfinale der WM 2014 musste er aufgrund einer Verletzung pausieren. Brasilien verlor das folgende Halbfinale gegen Deutschland ohne Neymar mit 1:7. 2018 bei der WM in Russland fiel der Angreifer durch viele Schwalben auf. Brasilien musste sich im Viertelfinale Belgien mit 1:2 geschlagen geben. Als einer der WM-Favoriten 2022 soll es in Katar deutlich besser laufen.

Was kann Neymar für Brasilien leisten?

Neymar kann der beste Fußballer der Welt sein – aber nicht auf Dauer. An guten Tagen ist er besser als jeder andere. Dann kann er die Selecao auch ziehen. Die WM 2014 war hierfür ein gutes Beispiel: Das Team war eigentlich schwach für brasilianische Verhältnisse. Neymar wertete es bis zu seiner Verletzung auf.

Hat der Superstar jedoch keinen guten Tag, hemmt er seine Mannschaft nicht selten sogar – beispielsweise bringt er durch unüberlegte Aktionen Unruhe auf den Platz. Brasiliens WM 2022 Kader braucht in Katar den guten Neymar – dann kann es endlich funktionieren mit dem ersten großen Titel seit Jahren.